So gehst du mit Widrigkeiten am Renntag um

24 May, 2018

So gehst du mit Widrigkeiten am Renntag um

Wind? Regen? Kein Problem. Hier kommen Strategien, wie du auch dann die Ruhe selbst bleibst, wenn an deinem großen Tag etwas Unvorhergesehenes passiert.

von Marni Sumbal und Gloria Petruzzelli

Wie jeder erfahrene Athlet weiß, können ungünstige Gegebenheiten am Renntag, egal, ob wetterbedingt oder nicht, einem mental ganz schön zu schaffen machen und dem Ego einen ordentlichen Dämpfer verpassen. Seien wir ehrlich. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass wir bei jedem Rennen in dieser Saison perfekte Wettkampfbedingungen haben werden. Dein Fitnesslevel verändert sich aber nicht, nur weil das Wetter nicht ideal ist oder etwas Unerwartetes passiert. Erfolg beginnt mit Vorausplanung.

1. Szenario: Kannst du „Brrrrr" sagen?

Was einem bewusst sein sollte

Wasser zieht Wärme 25-mal schneller aus dem Körper als Luft, eine sehr sachdienliche Information für den Schwimmpart eines Triathlons. Bei niedrigen Temperaturen muss dein Atmungsapparat härter arbeiten und Muskeln, Bänder und Gelenke fühlen sich vielleicht steifer an als sonst. Außerdem benötigt dein Körper zusätzliche Energie, um warm zu bleiben und du verlierst mehr Flüssigkeit (um die Atemluft zu befeuchten). Nicht nur das, es kann auch sein, dass du bei Kälte mehr Hunger und weniger Durst hast. Und Frieren ist einfach ein elendes Gefühl und kann sowohl deine körperliche als auch deine geistige Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen.

So wappnest du dich 

  • Nimm dir vor dem Schwimmen etwas länger Zeit, um dich auf dem Trockenen mit dynamischem Stretching, ein paar lockeren Laufschritten oder mit Zugseilen aufzuwärmen. Durch das Aufwärmen sollte deine Körperkerntemperatur fühlbar steigen, deshalb behalte warme Kleidung an oder wärme dich, wenn möglich, drinnen auf.
  • Minimiere das Risiko für einen Muskelkrampf indem du jede Disziplin im Wettkampf langsamer angehst als normalerweise - zumindest für die ersten zehn bis 30 Minuten.
  • Ein gut sitzender, bequemer Neoprenanzug wird den Wärmeverlust ebenfalls reduzieren, er isoliert und gibt Auftrieb. Außerdem müssen mit einem Neo Herz und Muskeln nicht härter als sonst arbeiten.
  • Wind und Lufttemperatur werden sich den ganzen Tag über verändern. Atmungsaktive Wettkampfbekleidung und klein zusammenfaltbare Accessoires können deinen Tag retten. Nimm gegebenenfalls eine körpernah sitzende Jacke oder Weste mit, Armlinge, dünne Handschuhe und eine Radmütze/Ohrenwärmer und verstaue sie in den Taschen deines Wettkampfanzugs oder in der Wechselzone.    
  • Führe kontinuierlich Flüssigkeit und Energie zu.    
  • Feste Nahrung kann unter Umständen bei Kälte schmackhafter und leichter zu verdauen sein als bei Hitze. Versuche, jede Stunde eine Flasche deines Elektrolyt-Kohlenhydrat-Getränks zu dir zu nehmen und iss 50 bis 100 Kalorien in Form von fester Sportnahrung, wenn nötig - vorher ausprobieren! Nimm kleine Bissen, dafür häufiger (alle 20 bis 30 Minuten).

2. Szenario: Vom Winde verweht

Was einem bewusst sein sollte

Wenn es ums Material geht (d. h. Aerohelm, Laufradtiefe und Verpflegungstransport), kann es sinnvoll sein, sich nicht auf das zu versteifen, was am schnellsten ist (oder was die Profis benutzen), sondern das zu verwenden, mit dem du dich am wohlsten fühlst.

Bei Wind verbrauchst du viel Energie, er kann dich körperlich und mental förmlich aussaugen. Mache dir keinen Stress wegen und verbeiße dich nicht in bestimmte Zeit- oder Geschwindigkeitsziele, selbst wenn dein Rennen an sich für einen schnellen Kurs bekannt ist. Deine Leistung hängt vom Pacing ab. Mit einer epischen Radzeit lässt sich nur angeben, wenn du hinterher auch noch schnell laufen kannst. Mache dein Rennen gegen die Konkurrenz, nicht gegen die Uhr - und versuche niemals, dich mit dem Wind anzulegen.

So wappnest du dich 

  • Bei starkem Wellengang kannst du in der ersten Disziplin nicht viel Zeit gewinnen, aber potenziell viel Energie verlieren. Spare beim Schwimmen Energie - es ist nur ein Aufwärmen für den harten Tag, der noch vor dir liegt.
  • Informiere dich am Morgen des Renntags über die Windbedingungen, damit du einschätzen kannst, wo auf der Strecke sich der Wind verändert. Egal aus welcher Richtung der Wind bläst, bleibe ruhig. Fahre mit gleichmäßigem Tritt und einem entspannten Oberkörper, wechsle in einen passenden Gang und konzentriere dich auf geschmeidige, effiziente Kurbelumdrehungen.
  • Wenn der abschließende Lauf auf einem flachen Kurs stattfindet, denke daran, dass starker Wind ähnlichen Einfluss auf Anstrengung und Form haben kann wie Hügelläufe. Konzentriere dich auf eine gute Technik und aufs Pacing, um Energie zu sparen.
  • Halte deine Verpflegungsstrategie super einfach und verlasse dich in erster Linie auf Flüssiges alle 10 bis 15 Minuten. Das hilft dir, dich auf deine Leistung zu konzentrieren während du gleichzeitig deine stündliche Ration Elektrolyte und Kohlenhydrate bekommst.

3. Szenario: Regen?! Bäh

Was einem bewusst sein sollte

Einen neuen persönlichen oder Streckenrekord aufstellen zu wollen, ist bei diesen Wetterbedingungen sicher nicht die beste Idee. Hier gilt es, auf Nummer sicher zu gehen. Egal wie fit du bist, es geht hier in erster Linie um Fähigkeiten und Erfahrung. Die meisten werden bei Regen nicht gerne ein Risiko eingehen, deshalb ist es ganz normal, dass man das Gefühl hat, nicht bei eigentlich angepeilter Intensität unterwegs zu sein. Aber das heißt nicht, dass all das Training umsonst war. Während man beim Schwimmen nichts vom Regen mitbekommt, solltest du dir seiner ab dem Radpart bewusst sein - die Bremsleistung lässt bei Nässe spürbar nach und wenn du in schweren, nassen Schuhen läufst, bekommst du leichter Blasen.

So wappnest du dich 

  • Solange du nicht auf einem Ledersattel unterwegs bist, brauchst du ihn über Nacht auch bei Regen nicht abzudecken. Es kann aber sinnvoll sein, den beweglichen Anbauteilen vor dem Start nochmal etwas Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Wenn dein Rad über Nacht nass wird, schmiere den Antrieb in der Wechselzone noch einmal oder decke ihn ab, wenn das erlaubt ist.
  • Weil sich auf nassen Straßen der Bremsweg erhöht, solltest du mehr Zeit zum Anhalten und für Kurven einplanen und ab und zu anbremsen um Bremsgummis und Felge von Schmutz zu befreien. 
  • Frischer Asphalt, Straßenfarbe, Pfützen, Splitt, Sand und Öl sind gefährlich für Radsportler und erfordern extreme Vorsicht. Du musst schnell reagieren und wer eine gute Radbeherrschung hat, wird belohnt.
  • Für trockene Füße beim Laufen, stecke deine Schuhe in der zweiten Wechselzone in Plastikbeutel, zusammen mit einem Paar frischer Socken.
  • Setze eine Sportbrille mit klaren oder rosafarbenen Gläsern auf, damit du im Regen besser sehen kannst, sowie einen Visor oder eine Kappe beim Laufen.
  • Im Regen zu laufen kann Spaß machen, aber es kann deine Form beeinflussen - besonders auf hügeligen Kursen mit Passagen abseits befestigter Straßen oder wenn sich Schmutz irgendwo angesammelt hat. Da du im Laufe des Rennens ermüdest, solltest du die Leistung anpassen und zusehen, dass du gleichmäßig und kontrolliert unterwegs bist, um Knöchel-, Knie- oder Hüftverletzungen zu vermeiden.
  • Gucke dir die idealen Möglichkeiten aus, um dich zu verpflegen (eine Regenpause, auf der Kuppe eines Anstiegs, in einer Ebene), um Gesundheit und Leistung nicht zu beeinträchtigen. 

4. Szenario: Ein neues Rennen 

Was einem bewusst sein sollte

Wenn du bei einer Premiere antrittst, gibt es keine Wettkampfberichte, Ergebnislisten oder Forumsdiskussionen mit Tipps oder Ratschlägen.

So wappnest du dich

  • Denke daran, dass Rennleitung und Team noch genauso dazulernen wie du. 
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass du ein gutes Rennen machst, erhöht sich, wenn du dir frühzeitig klar machst, dass vermutlich irgend etwas schiefgehen wird. Denke dann daran, dass du dich bestmöglich vorbereitet hast, aber deinen Plan vielleicht etwas anpassen musst.
  • Achtsamkeit-Mantra: „Jeder lernt noch.“

5. Szenario: Die Strecke wird angepasst

Was einem bewusst sein sollte

Es ist hart, sich mit Änderungen in letzter Minute auseinanderzusetzen, zum Beispiel wenn das Schwimmen abgesagt oder der Kurs angepasst wird, obwohl du alles so genau geplant und visualisiert hast. Kontrolle ist beruhigend, Veränderungen sind es nicht.

So wappnest du dich 

  • Wenn möglich, schaue dir frühzeitig den angepassten Kurs an. Wenn die Strecke in letzter Minute verändert wird, denke daran - noch einmal - dass alle im gleichen Boot sitzen. Das sollte beruhigend sein, weil jeder im Kopf seine Rennstrategie umstellen muss.
  • Denke daran, dass du die Situation nicht ändern, aber entscheiden kannst, wie du darauf reagierst. Handle nicht aus einem Stressgefühl heraus, sondern indem du deine Haltung anpasst und dich der neuen Herausforderung stellst. Wer hat behauptet, Triathlon sei einfach?
  • Achtsamkeits-Mantra: „Umdisponieren statt reagieren.“

6. Szenario: Das Rennen wird abgesagt

Was einem bewusst sein sollte

Wenn man Monate ins Training investiert hat, ist es nicht leicht, die Absage zu akzeptieren.

So wappnest du dich

  • Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass für jede Rennleitung die Sicherheit der Athleten oberste Priorität hat. Es ist für einen Athleten nie eine einfache Situation, aber das, was uns vor Schaden bewahrt, ist oft nicht das, was wir zu diesem Zeitpunkt wollen … und das ist in Ordnung.
  • Achtsamkeits-Mantra: „Wie passt das ins große Ganze?“

Wenn du dich mit einer dieser Szenarien konfrontiert siehst, denke daran, dass du schon die Fähigkeiten hast, um auch Situationen zu kontrollieren, die außer Kontrolle sind. Passe deine Erwartungen an und plane entsprechend. Akzeptiere, dass in Training und Wettkampf ständig unangenehme, unerwartete und ungewollte Dinge geschehen. Das heißt aber nicht, dass wir deshalb nicht unser Leben leben können. Wenn wir uns stattdessen bewusst dafür entscheiden, uns auf das zu konzentrieren, was gut läuft anstatt auf das, was anders läuft als geplant (oder darauf, was wir uns gewünscht hätten), können wir eine viel bessere Leistung bringen als wir vorher erwartet hätten.

Marni Sumbal ist eine Top-Agegroup-Triathletin, Trainerin und Ernährungsexpertin. Besuche ihre Webseite trimarnicoach.com. Dr. Gloria Petruzzelli ist zertifizierte klinische Psychologin und Sportpsychologin bei CSU und Inhaberin von Life With No Limits Coaching.