Triathlon bei den olympischen Spielen: Eine Geschichtsstunde

17 August, 2016

Triathlon bei den olympischen Spielen: Eine Geschichtsstunde

In dieser Woche feiert der Triathlon seine fünfte Teilnahme an den olympischen Spielen. Die Geschichte, wie dieser Sport aus San Diego und Hawaii in die weite Welt getragen wurde, ist absolut filmreif – besser, du liest weiter!

Von Brad Culp, aus dem Englischen von Frederik Schmidt

Die Wurzeln des Triathlons lassen sich im Frankreich der 1920er-Jahre finden, wo eine Vielzahl von Rennen abgehalten wurden, die über verschiedene Distanzen den schnellsten Schwimmer, Radfahrer und Läufer – allerdings nicht unbedingt in der Reihenfolge – bestimmen wollten. Der Triathlon, so wie wir ihn heute kennen, erlebte seine Geburt 1974 an der Westküste Amerikas, im sonnigen San Diego. Dort fand der vom San Diego’er Track Club organisierte Mission Bay-Triathlon statt, der erstmals eine 5,3-Meilen-Lauf-, eine 5-Meilen-Rad- und eine 600-Yard-Schwimmstrecke innehatte. Im Folgejahr wurde die für uns heute als klassische Reihenfolge Schwimmen, Radfahren, Laufen festgelegt und das Event zog auf die benachbarte Stadtinsel Fiesta Island. Hier wurde auch zum ersten Mal der Terminus „Triathlon“ verwendet.

Von San Diego nach Hawaii

Teilnehmer dieser ersten zwei Triathlons waren der in San Diego stationierte U.S. Navy Commander John Collins und seine Frau Judy. Aus militärischen Gründen nach O’ahu, Hawaii, versetzt, fanden sich John und Judy Collins 1977 während der Siegerehrung des Waikiki Swim Clubs in einer Diskussion um den fittesten Sportler des ganzen Planeten wieder. John Collins war es, der einen Artikel der Sports Illustrated vorbrachte, nach dem der belgische Radsportler Eddie Merckx der physisch fitteste Athlet der Welt wäre. Um eine Bestätigung zu erhalten, welcher Athlet denn nun wirklich am fittesten ist, äußerte Collins die Idee O’ahus drei Ausdauerevents –  den Waikiki Roughwater Swim (2,4 Meilen/3,86 km), das Around-Oahu Bike Race „Ride around the Island“ (115 Meilen, ursprünglich ein zweitägiges Rennen) und den Honolulu-Marathon (26,2 Meilen/42,195 km) – zu kombinieren.  Die Namensgebung stammt aus Collins' Bemerkung in der Gründerrunde: „Whoever finishes first, we’ll call him the Ironman“.

Im darauffolgenden Februar nahmen 15 Athleten im allerersten IRONMAN-Rennen aller Zeiten teil. Navy-Soldat Gordon Haller war der erste IRONMAN und finishte in 11:46:58. Die Begeisterung für das Event wuchs schnell: Schon 1979 hatte die zweite Ausgabe des IRONMAN 50 Teilnehmer. Und wieder hatte die Sports Illustrated einen entscheidenden Beitrag geleistet: Dank eines inspirierenden Artikel über das Event, konnte der IRONMAN auch über Hawaii hinaus bis an die amerikanische Westküste Aufmerksamkeit generieren.

Im Jahr 1981 wurde Collins zurück aufs Festland versetzt und die Fitnessstudiobetreiberin Valerie Silk übernahm die Leitung des Rennens. Als erste Amtshandlung verlegte sie das Rennen von O’ahu in die Lavafelder des weniger dicht bevölkerten Big Island. Bei der letzten Ausgabe im Frühjahr – danach fanden die Events immer im Herbst statt – kam es zu einem der Momente in der IRONMAN-Historie.  Die bei den Frauen in Führung liegende Julie Moss kollabierte wegen Dehydration kurz vor der Ziellinie und Kathleen McCartney gewann. Moss raffte sich schließlich auf und krabbelte auf allen Vieren als zweite Frau ins Ziel. Dieser bewegende Moment wurde von der ABC-Sendung Wide World of Sports ausgestrahlt und bescherte dem IRONMAN überregionale Bekanntheit. Beim folgenden Event im Oktober desselben Jahres bewarben sich über 2.000 Athleten für einen Startplatz. Um jedem einzelnen Gerecht zu werden, stoppte Silk die Anmeldung bei 1.000 Athleten.

Les McDonald als Schlüsselfigur      

1982 war ein entscheidendes Jahr für den IRONMAN und den Triathlonsport allgemein. Die mediale Aufmerksamkeit, die dem IRONMAN zu Gute kam durch Moss‘ Kampf mit der Ziellinie, führte dazu, dass die Nachfrage für Triathlons in anderen Regionen – vor Allem in Nordamerika – stark anwuchs. Diese Nachfrage sollte auch  den Grundstein für eine Einbindung des Sports in die Olympischen Spiele legen. Die Renndirektoren Jim Curl und Carl Thomas starteten mit der U.S. Triathlon Series (USTS) eine neue Reihe, die mit den Distanzen 1,5km Schwimmen, 40km Radfahren und 10km Laufen daherkam. Im selben Jahr gründete sich Tri-Fed, der allein zuständige und anerkannte Sportfachverband für Triathlon – heute besser bekannt als USA Triathlon. Das nördliche Pendant zum Tri-Fed nahm 1983 seine Arbeit auf, als der britisch-kanadische IRONMAN-Athlet Les McDonald die British Columbia Triathlon Federation gründete (heute Triathlon Canada). McDonald ist wahrscheinlich eine der wichtigsten und polarisierenden Figuren im Triathlon, galt er doch als hartnäckig, leidenschaftlich, immer geradeaus und für den Sport hart arbeitende Seele.

Im Jahr vor den 1984 stattfindenden olympischen Sommerspielen in Los Angeles war es der damalige IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch, der bei der üblichen Vorab-Visite eine für ihn merkwürdige Sportart im Fernsehen entdeckte. Es handelte sich hierbei um eine Übertragung von einem der ersten USTS-Events, welches Samaranch faszinierte. In seiner anschließenden Recherche über Organisatoren dieses Sports gelangte Samaranch geradewegs zu McDonald mit dem er ein folgenreiches Telefonat führte.

„Hi, hier ist Juan Antonio Samaranch. Würdest du mir helfen den Triathlon zu einer olympischen Disziplin zu machen?“

Ohne großartig zu überlegen antwortete McDonald nur mit „Ja“, woraufhin auch der Triathlon auf dem offiziellen Weg war eine olympische Sportart zu werden. Das schwedische IOC-Mitglied Gunnar Erikson wurde von Samaranch herangezogen, um McDonald bei der Gründung eines internationalen Dachverbands zu assistieren. Allerdings hatten die beiden die Rechnung ohne die Amerikaner Jim Curl, Valerie Silk und anderen amerikanischen Renndirektoren gemacht, die mit Einführung ihrer Triathlon Federation International (TFI) ebenfalls die Idee eines Dachverbands verfolgten. Auch in Europa steckte die European Triathlon Union (ETU) unter der Führung des Niederländers Joop van Zanten in ihren Kinderschuhen. Nach Zusammenschluss der beiden Gruppen im Jahr 1987 wurde Van Zanten schließlich erster Präsident der TFI. Aufgrund unüberbrückbarer Differenzen zwischen der amerikanischen und der europäischen Seite musste McDonald als Schlichter ins Geschehen eingreifen.

Das war der Zeitraum, in dem der Triathlon einige unerfreuliche Monate durchmachen musste, aber auch lernte, dass nicht immer Einigkeit herrschen kann. In diesem Fall war es so, dass die Europäer den IRONMAN auf Hawaii als offizielle Weltmeisterschaft festlegen wollten und Valerie Silk war überaus offen für diesen Vorschlag. Als sie aber Zeuge der handfesten Auseinandersetzungen zwischen ihren amerikanischen Kollegen und deren europäischen Gegenübern wurde, entschied sie keine Partei zu ergreifen und ihr Rennen nicht der TFI zuzusprechen, was wiederum zu einem Bruch zwischen der ETU und den Organisatoren aus Nordamerika führte.

Um dieser Situation eine positive Wendung zu geben schlug Samaranch vor, den Triathlon in die International Modern Pentathlon Union (UIPM) einzugliedern. McDonald hingegen war schnell klar, dass eine Eingliederung in die UIPM dem Triathlon jegliche Unabhängigkeit nehmen würde.

Von der UIPM über die ITU zu den Olympischen Spielen

Nichtsdestotrotz gab es Gespräche über diese Verzahnung sämtlicher Landesverbände in Avignon mit dem Ziel der UIPM beizutreten und einer Integration in die olympischen Spiele einen entscheidenden Schritt näher zu kommen. Wider Erwarten entschlossen sich die Landesverbände aber gegen einen Beitritt und formierten sich selber zur International Triathlon Union (ITU). Les McDonald wurde erster Präsident und operierte weiterhin von Vancouver aus, wo er schon mit Triathlon Canada seinen Sitz hatte.

Nun da der Triathlon einen funktionierenden internationalen Dachverband hatte, war es an der Zeit für McDonald, Erikson und Samaranch zusammenzuarbeiten, um eine zeitnahe Integration in die olympischen Spiele zu realisieren. Bei dem 1991 stattfindenden IOC-Kongress begann McDonald mit durchschlagender Lobbyarbeit Punkte für den Triathlon zu sammeln und erwirkte schnell eine Anerkennung als International Federation (IF). Dafür erreichte er die Zustimmung von 75 Delegierten des National Olympic Committees (NOCs), der FINA (Schwimmen), der UCI (Radsport) und der IAAF (Leichtathletik), um ein unabhängiger Verband innerhalb des IOC-Kosmos zu werden. Von hier an war der Triathlon einer von 15 IFs, die von dem IOC anerkannt waren, allerdings noch nicht Teil des Sportprogramms.  Im Juni 1991 wurde die ITU also in den IOC aufgenommen – und auf einem Kongress am 4. September 1994 in Paris entschied der IOC, Triathlon erstmals in das Wettkampfprogramm für die Olympischen Spiele 2000 in Sydney aufzunehmen.

Am 16. September 2000 starteten 48 Teilnehmerinnen im Frauen-Wettbewerb, der gleichzeitig die Auftaktveranstaltung der olympischen Sommerspiele bildete. Die erste Olympiasiegerin in dieser Disziplin wurde die Schweizerin Brigitte McMahon mit zwei Sekunden Vorsprung auf die Australierin Michellie Jones. Magali Messmer, die ebenfalls aus der Schweiz stammt, belegte den dritten Rang und gewann Bronze. Den Triathlon der Frauen verfolgten 80.000 Zuschauer, vor allem in der Nähe des Opernhauses, wo eine Videoleinwand installiert worden war. Obwohl McMahon vier Jahre später in Athen als 10. finishte und des Dopings mit EPO überführt wurde, erkannte man ihr die Goldmedaille aus Sydney nicht ab. Nur einen Tag nach der Premiere der Frauen gab auch die Elite der männlichen Triathleten ihren Einstand bei den olympischen Spielen in Sydney.  Der Wettbewerb der Männer fand am 17. September 2000 vor rund 400.000 Zuschauern statt, an dem 52 Athleten teilnahmen. Der Deutsche Stephan Vuckovic setzte sich kurz vor Ende an die Spitze. Er hatte das Ziel schon vor Augen, als der Kanadier Simon Whitfield ihn 150 Meter vor der Ziellinie abfing und in einem spannenden Finish gewann. Acht Jahre später in Peking konnte Whitfield seine Ambitionen unterstreichen und die Silbermedaille gewinnen. Whitfield  ist neben dem Neuseeländer Bevan Docherty der einzige Triathlet, der es zweimal bei den olympischen Spielen aufs Podest schaffte.

Erfolge auf Kurz- und Langdistanz

Eine Vielzahl der ITU-Athleten hat den gängigen Weg vom Rennen auf der Kurzdistanz hin zur Langdistanz gemeistert. Die erste Athletin, die sowohl die olympische Distanz mit einer olympischen Medaille krönte und auch die IRONMAN World Championship gewinnen konnte, war die Australierin Michellie Jones, die noch vor ihrer Hawaii-Teilnahme stets betonte: „Ich werde niemals an einem IRONMAN teilnehmen!“. 2003 noch als ITU-Triathletin auf der Kurzdistanz am Start, krönte sie nur drei Jahre später ihre Teilnahme am IRONMAN mit dem Weltmeistertitel. Eine ähnliche Geschichte kann ein gewisser Jan Frodeno erzählen, der langjährige Erfahrung auf den ITU-Strecken sammelte und 2008 olympisches Gold gewann, ehe er 2015 die IRONMAN World Championship für sich entscheid. Sein weibliches Pendant in der 2015er Ausgabe, Daniel Ryf, ist ebenso erfahrene Triathletin auf der Kurzdistanz, auch wenn sie noch keine olympische Medaille ihr Eigen nennen kann.

Sich für die olympischen Spiele zu qualifizieren ist genauso herausfordernd wie der olympische Wettkampf selber. Die Landesverbände haben jeweils eigene Kriterien, um ihre Triathleten für Olympia zu bestimmen. Bei den olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro sind erstmals 42 Landesverbände am Start - inklusive sechs Nationen, die ihr Debüt feiern: Jordanien, Norwegen, Puerto Rico, Israel, Barbados und Aserbaidschan. Die Qualifikationsperiode begann schon vor zwei Jahren mit dem ITU World Triathlon in Yokohama, wo sie auch dieses Jahr ihr Ende nahm. In dieser Zeit sammelten die Athleten der jeweiligen Verbände Punkte, um ihrem Team bis zu drei Startplätze pro Geschlecht zu sichern. Es ist dann an den Verbänden, ihre jeweiligen Athleten auf diese erlangten Plätze zu besetzen. Dafür werden entweder Ausscheidungsrennen als Maßstab herangezogen oder die Athleten werden von einem Komitee des Landesverbandes bestimmt. Dieses Jahr sind insgesamt 112 Elite-Triathleten (56 Frauen und 56 Männer) bei den olympischen Spielen am Start.

Der Triathlon feiert in Rio seine fünfte Teilnahme. Anstatt das Event als Auftaktveranstaltung zu bereichern, wie es 2000 der Fall war, werden die Triathleten zwei der Abschlussevents besetzen. Das Rennen der Männer startet am 18., die Frauen folgen am 20. August.